Lebensphilosophie der amerikanischen Ureinwohner

Weise Gedanken - Weltsicht - Gedichte




Wer die Ureinwohner und ihr geistiges Erbe verstehen will, muß ihren Glauben, ihre Erkenntnisse, ihre Grundgedanken, Ideale, Werte, Einstellungen und Lebensregeln studieren.
(von Basil Johnston)

Ich bin überzeugt, daß es keinen besseren Weg zu diesem Verständnis gibt, als wenn man sich mit ihren Zeremonien, Ritualen, Liedern, Tänzen, Gebeten und Geschichten befaßt. Zeremonien, Rituale, Lieder, Tänze und Gebete enthalten in symbolischer Form die Gesamtsumme dessen, was Menschen über Leben, Dasein, Existenz und gegenseitige Beziehungen denken. Geschichten, Fabeln, Legenden und Mythen wiederum verkörpern und vermitteln auf unterschiedliche Art die grundlegenden Verstehensweisen, Einsichten und Haltungen gegenüber dem Leben, dem menschlichen Wesen, Charakter und Verhalten.

Aber es genügt nicht, die Botschaften dieser Geschichten zu hören, zu lesen oder mit dem Kopf zu verstehen. Nach der Lehre der Stammesältesten müssen die Wahrheiten gelebt und verinnerlicht werden. Die Suche nach Wahrheit und Weisheit sollte einem Mann oder einer Frau Erfüllung bringen.





Wenn wir unsere Geschichte betrachten und das, was wir die indianische Lebensweise nennen, so gibt es zwischen uns und den anderen Völkern keine großen Unterschiede.
(von Phillip Deere)

Für Franzosen oder Holländer, oder wie immer sie heißen mögen, kann das Leben früher nicht viel anders gewesen sein als für uns. Damals, vor langer Zeit, hatten auch sie keine Lehrer, keine Schulen und keine Universitäten, die sie hätten besuchen können. Auch sie waren einst mit der Natur verbunden und lernten von ihr.

Als ich letztes Jahr in London war, erinnerte ich meine Zuhörer daran; eine Woche lang hielt ich Vorträge in der Innenstadt, und ich rief den Engländern ins Gedächtnis, dass auch ihre Ahnen naturbezogen gelebt hatten. Die alten Häuser in den Straßen geben davon Zeugnis - anders als die modernen Bauten sind sie von den Formen der Natur geprägt. Alte Möbel zeigen ebenfalls noch diesen Einfluß, die modernen Möbel haben ihn verloren. Viele moderne Gebäude bestehen fast nur aus Glas. Auch Bach und Mozart waren der Natur verbunden, ihre Musik bezeugt es. Früher waren die Menschen Partner der Natur und liebten sie. Im Namen des Fortschritts wurde diese Naturverbundenheit jedoch verdrängt.

Eine Folge davon ist die Zerstörung der Natur, wie wir sie heute sehen; Bäume, die uns im Weg sind, werden kurzerhand mit dem Bulldozer niedergewalzt. Es gibt keine Liebe mehr zur Natur, höchstens noch bei einzelnen kleinen Gruppen, die für die Erhaltung der Umwelt kämpfen. Und bei den eingeborenen Völkern, die die Natur, ihre Mutter Erde, immer schon geliebt und verehrt haben.

   
Die politische Struktur vieler indianischer Völker ist demokratisch und geht von der Gleichheit aller aus. Jeder Mensch, ob jung oder alt, Mann oder Frau, hat das gleiche Mitbestimmungsrecht, Entscheidungen werden von allen gemeinsam getroffen. jeder nimmt gleichberechtigt am Leben der Stammesgemeinschaft teil; so ist ein friedliches Miteinander gewährleistet. Autorität geht von den Ältesten auf die jungen Leute über, und selbst das Weinen der Babys bleibt nicht unbeachtet.

Unsere Stammesältesten sagen:
"Trefft niemals eine Entscheidung,
ohne dass eure Frauen und Kinder dabei sind."
(Coyote)
 
Das Wirtschaftssystem der indianischen Völker beruhte ursprünglich auf einem Leben in der Gemeinschaft. Indianer lehnten persönlichen Grundbesitz ab und brauchten auch kein Geld, da jeder ein Anrecht auf die notwendigen Lebensgüter hatte; der Reichtum der Natur kostete nichts und war für alle da.
Niemand mußte sich die Existenzberechtigung erst verdienen, aber es war die Aufgabe aller, für Unterkünfte und Nahrung zu sorgen, für die Gemeinschaft zu jagen, zu fischen, die Felder zu bestellen. Arbeit, Nahrung und Unterkünfte wurden gerecht verteilt. Es gab kein Klassensystem mit einer Kluft zwischen Arm und Reich. Erwarb eine Familie durch ihren Fleiß mehr als sie zum Leben brauchte, dann nur deshalb, um den Überfluß in einer zeremoniellen Verteilung von Geschenken wieder herzugeben. Der Reichtum wurde auf das Konto des Volkes gelegt; und die Zinsen waren Wohlwollen.

(Janet McCloud)

   
Bei den Lakota besaßen alle, ob sie stark oder schwach waren, die gleichen menschlichen Rechte. Jeder war verpflichtet, das Recht des anderen auf Kleidung und Nahrung zu respektieren und dafür zu sorgen, dass keiner benachteiligt war. Das war so selbstverständ- lich, wie der Sonnenschein, die reine Luft und der Regen allen gemeinsam gehörten.
Alles, was wir zum Leben brauchten, gab uns die Natur, und sie war unerschöpflich, Dinge zu horten und anzuhäufen, wäre sinnlos gewesen. Der Natur allein verdankten wir unsere Kraft und Stärke, und vor dem Einfluss der Weißen hätte kein Lakota daran gedacht, über andere zu herrschen und dadurch Macht zu gewinnen. Keiner war dem anderen untertan, aber jeder versuchte sich selbst zu beherrschen – Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, alle ordneten sich freiwillig dem Wohl der Gemeinschaft unter. Und weil wir dieses Gesetzt anerkannten, bleib keiner von uns je schutzlos oder ohne Hilfe. Aus diesem Grund gab es in der Gemeinschaft der Lakota weder Hungernde noch Übersatte, weder Kriecher noch Hochmütige, keine Gefängnisse, keine Richter, keine Armenhäuser, keine Bordelle und keine Waisenanstalten.
(Luther Standing Bear, Sioux)
 Eine der wichtigsten Perspektiven hinsichtlich der Entdeckung Amerikas besteht im Aufeinandertreffen sehr unter-schiedlicher Völker und Menschen - Hauptziel der einen war es, zu erwerben und zu besitzen, während es den anderen darum ging, als Stammesgemeinschaft zu wachsen und zu leben. Dieser Unterschied hat eine so tiefe Kluft verursacht, dass gegenseitiges Verständnis bis heute unmöglich ist.
Im Jahr 1492 gab es in Europa keinen Flecken Erde, der nicht vom König abwärts irgendeinem Besitzer gehört hätte. Die meisten Leute waren enteignet und besaßen kein Land. Im selben Jahr gab es in Amerika keinen Fußbreit Erde, der irgend jemandes Eigentum war. Für die Bewohner war das Land heilig. Es wurde geliebt, aber niemals als Besitz angesehen; im Gegenteil, die Menschen fühlten sich als Eigentum des Landes. Geachtet wurde der Mensch, nicht sein Besitz.
(Wilfred Pelletier)








   
Trotz seiner Klugheit und Erfindungsgabe fehlt dem Weißen etwas sehr Wichtiges. Er hat den Zugang zu seinem Schöpfer verloren. Wir Indianer besitzen noch immer Ehrfurcht vor dem Großen Geist und gehorchen seinen Gesetzen auch in dieser veränderten Welt.
(David Kindle, Navajo)





 Angesichts der Mannigfaltigen Bedrohungen unserer geistigen Gesundheit, unseres Überlebens und Selbstbewußtseins geben viele von uns einfach auf. Viele sind Alkoholiker geworden, viele dem Rauschgift verfallen; viele lassen ihre Kinder und alten Leute im Stich; viele begehen Selbstmord; viele werden gewalttätig, verlieren den Verstand; viele verwandeln sich in "Weiße", und man hört und sieht nichts mehr von ihnen. Aber genug von uns halten an den Traditionen und alten Lebensregeln fest, sodass wir auch nach fast 500 Jahren brutaler Unterdrückung immer noch ausharren - und sogar Lieder und Gedichte schreiben, Bilder malen und zeichnen, die uns sagen: "In Schönheit wandern wir. Laßt es uns weiterhin tun."
(Paula Gunn Allen)
   
Wenn eure Gesellschaftskritiker die Indianer in den Reservationen sehen, sind sie aufgebracht über die Armut, die dort herrscht.Aber für uns ist Armut etwas anderes als für euch. Unsere Armut besteht darin, dass wir nicht wir selber sein dürfen. Wir dürfen weder jagen noch fischen noch unsere Feldfrüchte ziehen, wie wir es früher getan haben; der Zugang zu unseren Lebensgrundlagen und das Recht, sie auf traditionelle Weise zu nützen, ist uns verwehrt. Und doch müßten wir, um gut leben zu können, fähig sein, für uns selbst zu sorgen, auf jene Art, die uns entspricht. Wir glauben noch immer nicht daran, dass wir die Sklaven der herrschenden Kultur und ihrer Ordnung sind. Folglich klagt man uns vieler Dinge an und begründet dies mit Verhaltensnormen und Werten, die für uns keinen Sinn ergeben.
Ihr wollt, dass wir so handeln wie ihr, dass wir so sind wie ihr, damit wir für euch annehmbarer und liebenswerter werden. Ihr solltet eher versuchen, zu sein wie wir: Im Zusammenleben der Gemeinschaft, in der Achtung und Sorge für alles Lebendige, für die Erde, das Wasser, die Luft; auch was den Respekt vor der Menschenwürde betrifft und das Anrecht darauf, zu sein, wie man ist.
(Carol Lee Sanchez)
 

Wißt ihr, wie man sich fühlt, wenn man für die Gesellschaft und die eigene Umgebung keinen Wert darstellt? Wenn du weißt, dass Menschen zu dir geschickt wurden, um dir zu helfen, aber nicht, um mit dir gemeinsam zu arbeiten, denn sie sind überzeugt davon, dass du nichts zu bieten hast?
Wißt ihr, was es bedeutet, wenn dein Volk verächtlich gemacht wird und du immer wieder hören mußt, dass du für dein Land nur eine Last bist?
Was es bedeutet, wenn du den Stolz auf deine Abstammung und deine Familie verlierst, wenn du ohne jedes Selbstvertrauen bist? Wie fühlst du dich dann? Ihr wißt es nicht, denn ihr habt diese Bitterkeit nie erlebt
.
Aber ich will euch erzählen, was das bedeutet. Es bedeutet Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft, denn die Zukunft hat keinen Sinn mehr. Es bedeutet, auf einer Reservation zu leben, die wie ein Schrottplatz aussieht, denn die Schönheit in dir ist abgestorben, und warum sollte deine Seele sisch dann noch um äußere Schönheit kümmern? Es bedeutet, sich zu betrinken, für ein paar kurze Augenblicke der häßlichen Wirklichkeit zu entfliehen und sich nicht mehr so unbedeutend zu fühlen. Vor allem aber bedeutet es, am nächsten Morgen aufzuwachen mit dem Gefühl von Schuld und Selbstbetrug. Denn der Alkohol füllt die Leere nicht aus, er vergrößert sie nur.
(Dan George)



 
 

Weise Gedanken

  
   
 

Als die Erde mit all ihren Lebewesen erschaffen wurde,war es nicht die Absicht des Schöpfers, dass nur Menschen auf ihr leben sollten. Wir wurden zusammen mit unseren Brüdern und Schwestern in diese Welt gesetzt, mit denen, die vier Beine haben, mit denen, die fliegen, und mit denen, die schwimmen.

All diese Lebewesen, auch die kleinsten Gräser und die größten Bäume, bilden mit uns eine große Familie. Wir alle sind Geschwister und gleich an Wert auf dieser Erde.
(Aus der Danksagung der Irokesen)
  

Wenn du am Morgen aufstehst, dann sage Dank für das Morgenlicht, für dein Leben und die Kraft, die du besitzt. Sage Dank für deine Nahrung und die Freude, am Leben zu sein. Wenn du keinen Grund siehst, Dank zu sagen, liegt der Fehler bei dir.
(Tecumseh)




  
Im Leben eines Indianers gibt es keine schlechten Tage. Auch wenn es noch so stürmisch ist – jeder Tag ist gut. Weil du am Leben bist, ist jeder Tag gut.
(Henry Old Coyote, Crow)

  

Wir danken dem Schöpfer für diese Früchte des Meeres. Wir bitten ihn, unsere Nahrung zu segnen, ebenso alle Generationen, die nach uns kommen, bis hin zur Siebenten Generation. Möge die Welt, die wir ihnen hinterlassen, eine bessere Welt sein als die, die wir vorgefunden haben. Amen.
(Harriett Starleaf Gumbs)


  

Im Denken des Indianers ist der Kreis, der Ring ein wichtiges Symbol. Die Natur bringt alles rund hervor. Die Körper der Menschen und der Tiere haben keine Ecken. Für uns bedeutet der Kreis die Zusammengehörigkeit von Menschen, die gemeinsam um das Feuer sitzen, Verwandte und Freunde in Eintracht, während die Pfeife von Hand zu Hand geht. Das Lager, in dem jedes Tipi seinen bestimmten Platz hatte, war ebenfalls ein Ring. Auch das Tipi selber war ein Kreis, in dem Menschen im Kreis saßen, und alle Familien eines Dorfes waren Kreise im größeren Kreis, Teil des großen Ringes der sieben Lagerfeuer der Sioux, die zusammen ein Volk bildeten. Dieses Volk wieder war nur ein kleiner Teil des Universums, das kreisförmig ist und aus der Erde, der Sonne, den Sternen besteht, die alle rund sind. Mond, Horizont, Regenbogen – auch sie sind Kreise in größeren Kreisen, ohne Anfang, ohne Ende.

All das ist für uns schön und voller Bedeutung; Symbol und Wirklichkeit zugleich, drückt es die Harmonie von Leben und Natur aus. Unser Kreis ist zeitlos, steht nie still; aus dem Tod geht neues Leben hervor – Leben, das den Tod besiegt.

Das Symbol des weißen Mannes dagegen ist das Viereck. Viereckig sind seine Häuser und Bürogebäude, und sie haben Wände, die die Menschen voreinander abschließen. Viereckig ist die Tür, die dem Fremden den Eintritt verwehrt, der Geldschein, das Gefängnis. Viereckig sind auch die Geräte der Weißen – nichts als Schachteln und Kisten – Fernsehapparate, Radios, Waschmaschinen, Computer, Autos. Alles hat Ecken und scharfe Kanten – selbst die Zeit ist nicht mehr rund, die Zeit des weißen Mannes, bestimmt von Terminen, Stechuhren und Stoßzeiten.
(Lame Deer, Sioux)
 
Für uns sind die Wälder und die weiten Hügel und das Nordlicht und die Sonnenuntergänge lebendig, und wir leben mit ihnen und leben im Geist der Wälder, wie kein Weißer es könnte. Die großen Seen, über die wir paddeln, die einsamen kleinen Seen, wo wir unsere Biberfallen aufstellen, von einem Kreis hoher Schwarzföhren umgeben, ein Baum neben dem andern, immer nach Norden ausgerichtet, als warteten sie auf etwas, das niemals kommt, so wie wir Indianer – all das ist für uns lebendig und wirklich, und wenn wir allein sind, sprechen wir mit dem Wasser und mit den Bäumen und sind nicht einsam, nur denken wir immer an die alten, lang vergangenen Tage und an die alten Männer unseres Volkes. So leben wir in der Vergangenheit, und die übrige Welt geht an uns vorbei. Trotz ihrer modernen Erfindungen können die Weißen nicht so leben wie wir, und wenn sie es versuchen, sterben sie, denn sie verstehen nicht, was die Sonne sagt, wenn sie untergeht, und sie hören nicht die Stimmen der Alten im Wind. Der Wolf ist wild, aber er ist unser Bruder, er lebt auf die alte Weise, doch der Saganash, der weiße Mann, ist manchmal wie ein Welpe und stirbt, wenn der Wind ihn anbläst, denn er sieht bloß Bäume und Felsen und Wasser, nur die Außenseite des Buches – und kann es nicht lesen.
(Anaquoness, Ojibway)














   

 Weltsicht

  
   
 Die vier Richtungen lesen...
  

Eine Tabakspende lesen...

- Über die Entlohnung von Heilbehandlungen
   
 
Ich bin ein Medizinmann, ein wicasa wakan. Medizinmann – das ist ein Wort, das die Weißen erfunden haben. Ich wünschte, es gäbe ein besseres Wort, um auszudrücken, was „Medizinmann“ für uns bedeutet, aber ich finde keines und du auch nicht, und so müssen wir uns wohl damit zufrieden geben.

Ein wicasa wakan muss viel und oft mit sich allein sein. Er will weg von der Menge, weg von den kleinen alltäglichen Dingen. Er liebt es zu meditieren, sich an einen Baum oder an einen Felsen zu lehnen und zu fühlen, wie sich die Erde unter ihm bewegt und wie über ihm das Gewicht des weiten flammenden Himmels lastet. Auf diese Weise lernt er zu verstehen. Er schließt die Augen und beginnt klarer zu sehen. Was du mit geschlossenen Augen siehst, das zählt.

Der wicasa wakan liebt die Stille, er hüllt sich in sie ein wie in eine Decke – eine Stille, die nicht schweigt, die ihn mit ihrer donnergleichen Stimme vieles lehrt. Solch ein Mann liebt es, an einem Ort zu sein, wo er nur das Summen der Insekten hört. Er sitzt, das Gesicht gegen Westen, und bittet um Beistand. Er redet mit den Pflanzen, und sie antworten ihm. Er lauscht den Stimmen der wama kaskan – der Tiere. Er wird einer von ihnen. Von allen Lebewesen fließt etwas in ihn ein, und auch von ihm strömt etwas aus. Ich weiß nicht, was und wie, aber es ist so. Ich habe es erlebt.

Ein Medizinmann muss der Erde angehören, muss die Natur lesen können wie ein weißer Mann ein Buch.
(Lame Deer, Sioux)
  
Ich stand auf dem höchsten aller Berge, und ringsum in der Tiefe lag der ganze Erdkreis. Und während ich dort stand, sah ich mehr, als ich erzählen kann, und verstand mehr, als ich sah; denn ich schaute in heiliger Entrückung die Gestalt aller Wesen, und ich sah die Form aller Formen im Geist und wie alle Wesen eins wurden. Und ich sah, das der heilige Ring meines Volkes einer von vielen Ringen war, die miteinander einen Kreis ergaben, weit wie das Licht des Tages und das Licht der Sterne, und in der Mitte dieses Kreises wuchs ein mächtiger blühender Bau, der allen Kindern der einen Mutter und des einen Vaters Schutz gewährte.
(Hehaka Sapa, Sioux)



















   
 
Behandle alle Menschen, als wären sie mit dir verwandt.

(Sprichwort der Navajo)



  
Allen Lebewesen ist eine Kraft zu eigen – sogar einer winzigen Ameise, einem Schmetterling, einem Baum, einer Blume, einem Stein -, denn der Große Geist wohnt in jedem von ihnen. Die moderne Lebensart der Weißen hält diese Kraft von uns fern, schwächt sie ab. Um der Natur nahe zu kommen, sich von ihr helfen zu lassen, dazu braucht es Zeit und Geduld. Zeit, um nachzudenken und zu verstehen. Ihr habt so wenig Zeit zum Betrachten und Verweilen; immer seid ihr in Eile, immer gehetzt, immer gejagt. Diese Rastlosigkeit und Plackerei macht die Menschen arm.

(Pete Catches, Sioux)


  

 Gedichte

  
   

Nahe den Bergen

klingt der Felsboden
hohl
unter den Schritten.
Er sagt dir: Denk daran,
die Erde ist eine Trommel.
Wir müssen sorgsam auf unsere Schritte achten,
um im Rhythmus zu bleiben.
hohl
unter den Schritten.
Er sagt dir: Denk daran,
die Erde ist eine Trommel.
Wir müssen sorgsam auf unsere Schritte achten,
um im Rhythmus zu bleiben.
(Joseph Bruchac)



  

Geistiger Reichtum

Indianer sein heute ist ein lebendiges Paradoxon
ein Widerspruch in sich selbst.
Sich mit der Erde verbunden fühlen
in einer Asphaltwelt.
Stolz und ehrenhaft sein
in Lebensverhältnissen, die erniedrigen.
Geistigen Reichtum erfahren
in einem geistig verarmten Land.
Geschwisterlich verbunden sein
mit grundverschiedenen Brüdern und Schwestern.
Maschinell gefertigte Glasperlen
zu alten, überlieferten Mustern vernähen.
Christliche Kirchenlieder singen
in der Stammessprache.
Ins Englische übersetzte Namen tragen
die voll alter Bedeutungen sind.
Ausgelacht werden
auch wenn du nichts Komisches getan hast.
Bei nichtindianischen Kindern Furcht erregen
obwohl dein Herz nichts Böses denkt.
(Karen Coody Cooper)
   
Danke dem Grossen Geist

für all seine Gaben.
ehre die Alten; wenn du dies tust,
ehrst du die Weisheit und das Leben.
Ehre das Leben in all seinen Formen;
dadurch wird dein eigenes Leben gestärkt.
Ehre die Frauen; wenn du sie achtest,
ehrst du das Geschenk des Lebens und der Liebe.
Stehe zu deinen Versprechen; wenn du dein Wort hältst,
bleibst du dir und den anderen treu.
Sei freundlich und gütig und bereit zu teilen.
Sei friedfertig; durch Friedfertigkeit werden alle
den Großen Frieden finden.
Sei tapfer; durch deinen Mut
wird die Stärke aller wachsen.
Sei maßvoll in allem; beobachte gut, höre zu
und wäge ab; dann wirst du besonnen handeln.
(Ojibway)



 

Birdfoots Grossvater

Der alte Mann
hatte unser Auto
wohl schon dutzende Male angehalten,
um hinauszuklettern
und die kleinen Kröten aufzulesen,
die vom Scheinwerferlicht geblendet
wie lebendige regentropfen
auf der Straße hüpften.
regen fiel,
sein weißes Haar leuchtete im Nebel,
und ich sagte immer wieder:
du kannst sie nicht alle retten,
finde dich ab damit, steig wieder ein,
wir müssen weiter, wir haben ein Ziel.
Er aber, die ledrigen Hände voll
von nassem braunem Leben,
knietief im Sommergras an der
Straßenböschung stehend,
er lächelte nur und sagte:
auch sie müssen weiter, auch sie haben ein Ziel.
(Joseph Bruchac)



 
 Relocation

Sprich mich nicht an.
Erschreck mich nicht,
denn die gleißende Stadt
hat mich blind gemacht.
Die Lichter,
die Autos,
die abgestumpften Blicke -
sie zerreißen mein Herz,
umklammern mein Ich.

Wer fragt nach meinem Schmerz,
nach der Wut, die meine Brust
verkrampft?

Ich schlucke schwer und oft,
ich koste meinen Speichel,
er schmeckt nicht gut.
Wer fragt nach meinem Geist, meiner Seele?

Ich kam hierher, weil ich erschöpft war;
das BIA lehrte mich, reinlich zu sein,
meine Zeit Tag für Tag genau einzuteilen.
Der Katechismus lehrte mich: Sei tüchtig;
die Nonnen trichterten mir den Gott der Weißen ein.
Und ich kam hierher, um satt zu werden -
Mais, Kartoffeln, Chili und Schaffleisch
seien nicht nahrhaft genug, sagte man mir.

So verließ ich die Reservation.
Wie einen Schlafwandler sehe ich mich nun
die Straßen hinuntergehen, zementgraue Straßen
voll grellem Glas und trüber Luft,
bewaffnet mit einer Weinflasche,
die ich mit jenem Geld kaufte,
das eigentlich für meine Kinder bestimmt ist.
Ich schäme mich.
Ich bin müde.
Ich bin hungrig.
Ich rede vor mich hin.
Ich habe Sehnsucht nach den Bergen.
Ich habe Heimweh nach mir selbst.

(Simon J. Ortiz)